Im April haben sich die Arbeitgeber-Organisation „Nienburg-Service“ und die Gewerkschaft ver.di einen medialen Schlagabtausch über ArbeitnehmerInnen-Rechte, Aufgaben der Gewerkschaften und die Rolle der Gerichte in der Demokratie geliefert. Der Vorstand der Jusos im Landkreis Nienburg hat sich dazu am 23. April mit einem Leserbrief an die Redaktionen auf die Seite der Gewerkschaft und der ArbeitnehmerInnen gestellt. Wir dokumentieren den Leserbrief hier:

Es ist Kennzeichen der Politik allgemein – zumindest sollte es das sein – und der Demokratie im Speziellen, dass Gruppen ihre jeweiligen Interessen vertreten. Dagegen ist zunächst nichts einzuwenden. Eingehegt wird dies durch Gesetze und durch Gerichte, die die Einhaltung dieser Gesetze gegebenenfalls überprüfen. Nichts anderes ist im Falle des verkaufsoffenen Sonntags im November letztes Jahres geschehen.

Der Internethandel stellt für den lokalen Handel in Zeiten einer immer weiter fortschreitenden Globalisierung eine große Bedrohung dar. Bücher, Kleidung, Schreibwaren, sogar Nahrungsmittel können und werden mittlerweile online gekauft. Diese Globalisierung, die das Aufkommen solcher Onlinehändler ermöglicht hat, nun immer weiter vorantreibt und am Ende möglicherweise ihr eigenes, auf unregulierten Wettbewerb setzendes Modell selbst untergräbt, weil es die Entstehung gigantischer Monopolisten fördert, die Wettbewerb unmöglich machen, ist aber nicht nur eine Gefahr für die Händler, sondern auch für die ArbeitnehmerInnen. Das Raubtier frisst sich selbst.

Insofern bringt es nichts, wenn diese beiden Interessengruppen sich nun, vorangetrieben durch die Beschuldigungen des „Nienburg-Service“, untereinander mit markigen Worten behacken, denn sie hätten durchaus gemeinsame Interessen und die sollten sie betonen – jedoch nicht auf dem Rücken der ArbeitnehmerInnen.

Es gilt die ArbeitnehmerInnen vor dieser Übergriffigkeit zu schützen, sie dem Ruf nach noch mehr Flexibilität nicht schutzlos auszuliefern. Wenn der „Nienburg-Service“ sich wahlweise beklagt, dass die Gewerkschaft „Verdi“ selbst einen verkaufsoffenen Sonntag verboten oder zumindest durch eine Klage verhindert habe, muss man doch eins feststellen: es war ihr gutes Recht. Ansonsten hätte kein Gericht dieser Welt eine solche Entscheidung getroffen. Das heißt, wenn sich die Kaufleute darüber beschweren, beschweren sie sich über ein Grundrecht der ArbeitnehmerInnen und wollen dieses aushöhlen, ja, sie stellen sich über das Gesetz, es wird schon keiner so genau hinschauen.

Das hat nichts mit gemeinsamen Interessen zu tun, das sind blanke, am Profit orientierte Einzelinteressen.

Die Gewerkschaften sind eine der größten Errungenschaften, die aus der Arbeiterbewegung hervorgegangen sind, sie sind unbedingt notwendig, um sich den oftmals rein ökonomischen Interessen der ArbeitgeberInnen entgegenzustellen und diese zumindest abzufedern, wie der Fall des verkaufsoffenen Sonntags zeigt. Sie tun nichts Ungehöriges, nein, sie scheinen in diesem Fall diejenigen zu sein, die das Recht achten sowie es sich nicht zu ihren Gunsten verbiegen und ein scheinheiliges Rahmenprogramm auf die Beine stellen.

Der Sonntag genießt vollkommen zurecht besonderen gesetzlichen Schutz. Es ist der einzige Tag der Woche, an dem viele ArbeitnehmerInnen etwas mit ihrer Familie oder mit Freunden unternehmen, sich zurücklehnen, dem Hamsterrad der Erwerbsarbeit in der Woche entfliehen können. Denjenigen, die das nicht können, gebührt noch mehr Respekt, aber es darf nicht zur Regel werden. Immer mehr Flexibilität, immer mehr Stunden hinter der Ladentheke, das funktioniert auf Dauer nicht, das sollten auch die ArbeitgeberInnen erkennen und die Rechte der ArbeitnehmerInnen sowie ihrer Gewerkschaften achten, sie allerdings nicht – so wie es momentan geschieht – verunglimpfen.