Der Landtag Niedersachsen hat seine Selbstauflösung beschlossen. Wie das kommt, was das heißt und wie es weitergeht, erklärt Grant Hendrik Tonne, Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion, in „Thema im Landtag“ der SPD-Landtagsfraktion Ausgabe September 2017.

Der 4. August 2017 ist eine Zäsur in der Geschichte unseres Landes und des Landtages: Erst zum zweiten Mal in der Geschichte Nieder­sachsens haben die Abgeordneten des Parlamentes diese folgenrei­che Entscheidung getroffen. Dem Bundestag steht diese Möglich­keit nicht zur Verfügung.

TiL: Am Montag, 21. August 2017, hat sich der Landtag aufgelöst. Alle Fraktionen haben das elf Tage zuvor beantragt und diesen Antrag am 10. August 2017 beraten. Wie ist es dazu gekommen?

Grant Hendrik Tonne: Wir haben als rot-grüne Regierungs­koalition seit der Landtagswahl im Januar 2013 die Regierung mit einer knappen, aber verläss­lichen Ein-Stimmen-Mehrheit getragen. Bisher haben wir auch keine Abstimmung verloren. Erst mit dem Übertritt der frü­heren Grünen-Abgeordneten Elke Twesten zur CDU sind wir in die Situation gekommen, dass uns diese Mehrheit abhanden­gekommen ist. Nicht durch den Wählerwillen – wir hatten einen klaren Auftrag –, sondern durch ein Ränkespiel zwischen dem CDU-Hoffnungsträger Althusmann, seinem Fraktionschef Thümler und eben Elke Twesten, die aus persönlicher Unzufriedenheit meinte, einer erfolgreich arbeitenden Landesregierung die parlamentarische Mehrheit zu entziehen.

TiL: Wie ging es weiter?

Tonne: Zuallererst hat unser Ministerpräsident Stephan Weil am selben Tag des Übertritts von Frau Twesten erklärt, dass er schnelle Neuwahlen wolle, unsere Fraktion hat das am Abend dieses Tages beschlossen, damit haben wir den Weg freigemacht. Für die CDU kam das offenbar überraschend. Anders kann man sich kaum erklä­ren, dass deren Führungspersonal in Unkenntnis der niedersächsi­schen Landesverfassung viel zu lange geglaubt hat, man könne am 24. September 2017 neu wählen. Die Landeswahlleiterin hat allen Anwesenden dann die Verfassung noch mal erklärt, also wählen wir zum frühestmöglichen Zeitpunkt, das ist der 15. Oktober 2017, drei Wochen nach der Bundestagswahl.

TiL: Wie funktioniert eine Selbstauflösung des Landtages?

Tonne: Wir mussten den Antrag in einer Plenarsitzung einbrin­gen, frühestens elf Tage später kann dann die Auflösung be­schlossen werden. Das haben wir am Montag gemacht. Der Landtag ist zwar de facto auf­gelöst, aber er bleibt natürlich noch im Amt, bis sich ein neuer Landtag nach der Landtagswahl konstituiert, das ist spätestens am 15. November 2017.

TiL: Wie arbeitet denn ein aufgelöster Landtag weiter?

Tonne: Im Prinzip ganz normal. Es gibt weiterhin die Ausschüsse, ein paar Minuten nach dem Beschluss zur Selbstauflösung hat zum Beispiel der Wirtschaftsausschuss getagt, und es gibt nach wie vor Sonderausschüsse wie den Parlamentarischen Untersuchungsaus­schuss, der am Dienstag getagt hat. Ebenso tagt der Ältestenrat, der noch eine Tagesordnung für die nächste Landtagssitzung im September festlegen muss. Man kann also sagen, das Geschäft wird weitergeführt. Das klingt paradox, wenn am Montag eine Selbstau­flösung beschlossen wurde, ist aber genauso. Für uns als SPD-Frak­tion heißt das, dass wir ebenso weiterarbeiten. Es gibt noch zahlrei­che wichtige Gesetze und die CDU muss jetzt Farbe bekennen, ob sie Verantwortung übernehmen will. Die bisherigen Signale sind enttäuschend: die CDU war viereinhalb Jahre gegen alles und hat jetzt keine Alternativen. Mit der zufälligen Mehrheit von CDU/FDP/Twesten droht Niedersachsen der Stillstand. Wir haben viereinhalb gute und erfolgreiche Jahre im Parlament und in der Regierung für die Menschen und das Land gehabt. Daran wollen wir anknüpfen.

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